Augusto Pinochet
Nach kurzer Lehrtätigkeit an der Militärakademie und einem Aufenthalt in Ecuador diente er 1956 als Militärattaché an der chilenischen Botschaft in Washington, D.C.. Ab 1965 besuchte Pinochet mehrfach Schulungen der US Army; man vermutet, dass seine engen Verbindungen zu hochrangigen US-Militärs und dem Geheimdienst CIA aus dieser Zeit stammen. Eduardo Frei ernannte ihn kurz vor Ende seiner Amtszeit 1970 zum Brigadegeneral, sein Nachfolger Salvador Allende übertrugt ihm im Januar 1971 das Kommando über die Heeresgarnison in Santiago de Chile und beförderte ihn zum Divisionsgeneral. Am 23. August 1973, einen Tag nachdem der Kongress die Regierung ultimativ zum Rücktritt aufgefordert hatte, ernannte Präsident Allende Pinochet als Nachfolger des zurückgetretenen Generals Carlos Prats zum Oberbefehlshaber des Heeres (Comandante en Jefe del Ejército).
Anders als die meisten anderen südamerikanischen Staaten hatte Chile ein lange demokratische Tradition, in der es keine Versuche der Machtübernahme durch das Militär oder andere Kräfte gab. Doch ein großer Teil der Bevölkerung erwartete zu dieser Zeit eine Intervention des Militärs, da das in Allendes Wirtschafts- und Außenpolitik begründete, von den USA verhängte und militärisch durchgesetzte Wirtschaftsembargo sowie Streiks und Anschläge der Opposition das Land in ernsthafte Schwierigkeiten brachten. Pinochet versprach „keine Nation der Arbeiter, sondern eine Nation der Unternehmer“ zu bilden. Gleich nach seiner Amtsübernahme ging Pinochet mit großer Härte gegen die bisherige Regierung und ihre Unterstützer vor. Das Militär verhaftete tausende tatsächlicher oder vermeintlicher Sympathisanten Allendes. In den Gefangenenlagern der Armee und der Carabineros gab es in diesen Tagen Menschenrechtsverletzungen, Folter und Mord. Zwischen 2.500 und 80.000 Menschen wurden getötet oder verschwanden spurlos. Die genaue Zahl lässt sich heute nicht mehr exakt ermitteln. Das brutale Regime löste ein Massenflucht aus Chile aus. Die Verfolgung von Oppositionellen in Chile griff auch auf das Ausland über, als im September 1976 der ehemalige chilenische Botschafter in den USA, Orlando Letelier, durch eine Autobombe getötet wurde. Bereits zwei Jahre zuvor starb General Carlos Prats, Pinochets Vorgänger als Armeebefehlshaber, auf dieselbe Weise in Buenos Aires. Für beide Anschläge macht man heute den chilenischen Geheimdienst verantwortlich.
Mit der ökonomischen Liberalisierung erlangte Chile bemerkenswerte Wachstumszahlen, aber die sozialen Gegensätze im Land nahmen dadurch weiter zu. Im Mai 1983 organisierte die Opposition deshalb Demonstrationen und Streiks, was wiederum zu erheblichen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitstruppen führte. Im September 1986 wurde durch „Manuel Rodriguez’ Patriotische Front“ (FPMR) ein Mordversuch auf Pinochet unternommen, bei dem er jedoch nur leichte Verletzungen davontrug.
1980 stellte die Regierung Pinochet eine neue Verfassung (Carta fundamental) zur Abstimmung, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit unter ähnlichen Bedingungen vom Volk verabschiedet wurde. Pinochet konnte nun mit Rückendeckung der Verfassung bis 1989 im Amt bleiben und hatte zugleich erhebliche Kompetenzen zugesprochen bekommen.
Der spanische Untersuchungsrichter Báltasar Garzón hatte schon seit längerem gegen Pinochet wegen Völkermord, Staatsterrorismus und Folter ermittelt, da auch spanische Staatsbürger unter den Opfern der Militärdiktatur waren. Während Pinochets Aufenthalt im London stellte Spanien daher ein Auslieferungsbegehren, aufgrund dessen Pinochet am 16. Oktober von der britischen Polizei in London verhaftet wurde. Die Verhaftung löste in Chile Unruhen aus. Das Land war tief gespalten in Pinochet-Gegner und -Anhänger. Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle forderte die Freilassung Pinochets, angeblich um ihn vor ein chilenisches Gericht zu bringen. Auch die Schweiz hatte ein Auslieferungsgesuch gestellt. Das spanische Gesuch hatte Priorität, doch wenn Spanien es zurückgezogen hätte, wäre Pinochet für das Verschwinden des Schweizers Alexi Jaccard eventuell an die Schweiz ausgeliefert worden. Alexi Jaccard wurde – mutmaßlich im Auftrag Pinochets – in Argentinien verhaftet und ist dort „verschwunden“. Seine Haft in England verbrachte Pinochet unter sehr komfortablen Bedingungen unter Hausarrest. Er durfte unbegrenzt Besuch empfangen; unter anderem ließ er zu Weihnachten extra einen Priester aus Chile einfliegen. Das britische Urteil, ob Pinochet nach Spanien ausgeliefert werden sollte oder nicht, folgte nicht sofort. Es gab ein langes Tauziehen zwischen England, Spanien, Chile und weiteren Ländern, die ein Auslieferungsgesuch gestellt hatten. Das waren neben der Schweiz auch Frankreich und Belgien. Im November 1998 kam es zu einem ersten Urteil, wonach Pinochet die Immunität verloren hätte. Dieses Urteil wurde wegen möglicher Befangenheit eines der Richter aufgehoben, der Mitglied der Menschenrechtsorganisation Amnesty International war, die als Nebenklägerin gegen Pinochet auftrat. In einer zweiten Verhandlung im März 1999 entschied das Gericht, dass Pinochet keine diplomatische Immunität besitze. Jedoch dürfte er nicht für Taten vor 1988 belangt werden, da Großbritannien erst 1988 einer Anti-Folterkonvention beigetreten ist. Außerdem wurden viele Anklagepunkte der spanischen Justiz verworfen. Im April 1999 entschied der britische Innenminister Jack Straw, dass Pinochet an Spanien ausgeliefert werden dürfe. Die chilenische Regierung bat London daraufhin, Pinochet aus humanitären Gründen freizulassen. Die Regierung in Santiago führte das hohe Alter und den schlechten Gesundheitszustand Pinochets als Argumente an. Auch die USA forderte die Freilassung Pinochets, angeblich aus Angst vor weiteren Enthüllungen über die Verwicklung Amerikas in die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochets Herrschaft. Ebenso machte sich der Vatikan für eine Freilassung des Katholiken Pinochet stark. Nach Prüfung der Gesundheit Pinochets wurde ihm eine schwere Erkrankung attestiert. Er wurde auf Entscheidung von Jack Straw am 2. März 2000 freigelassen und kehrte sofort nach Chile zurück.
Es ist innerhalb von Chile juristisch fast aussichtslos, Pinochet noch zu belangen. Der chilenische Kongress stimmte Ende März 2000 einer Verfassungsnorm zu, die dem ehemaligen Diktator endgültig immerwährende Immunität zusichert. Kritiker werfen der Regierung Chiles auch vor, sie hätte Angst, Pinochet zum Märtyrer zu machen. Dies würde die extreme Rechte stärken und für Unruhe beim Militär sorgen, das in Chile nach wie vor ein Machtfaktor ist, den die Regierung nicht unterschätzen darf. Im Juni 2000 stimmten von den 22 Richtern eines Berufungsgerichts in der Hauptstadt Santiago 13 für die Aufhebung der Immunität. Das Urteil betrifft allerdings nur Pinochets Immunität als Senator auf Lebenszeit. Er wird weiterhin durch ein Amnestiegesetz für mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen vor Strafverfolgung geschützt. Nach Pinochets Rückkehr in seine Heimat gelang es dem Untersuchungsrichter Juan Guzmán Tapia im Januar 2001, ein Verfahren gegen ihn einzuleiten, das jedoch wegen Altersdemenz des Angeklagten eingestellt wurde.
Nach seiner sensationellen Verhaftung sagte Pinochet selber: „Die Geschichte lehrt uns, dass Diktatoren nie ein gutes Ende finden.“
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