Reporter ohne Grenzen hat heute mit der Besetzung des offiziellen
kubanischen Informationsbüros gegen die Verhaftung von 24 Journalisten
protestiert. Das Büro wurde in Paris symbolisch in ein Gefängnis
verwandelt. Auf den "vergitterten" Fenstern prangten die Porträts
der Festgenommenen und auf dem Transparent an der Fassade stand deutlich
die Botschaft "Kuba = Gefängnis".
"Die seit dem Beginn des Irak-Krieges durchgeführte Verhaftungswelle
markiert das Ende der relativen Toleranz gegenüber unabhängigen
Medien in Kuba", kommentiert Robert Ménard, General-sekretär
der internationalen Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit,
die Entwick-lungen."Mit unserer Aktion machen wir deutlich, dass
im Schatten dieses Krieges, und unbemerkt von der Öffentlichkeit,
Menschenrechte in anderen Ländern eingeschränkt werden",
so Ménard weiter.
Vom 18. bis 24. März wurden in Kuba bei landesweiten Razzien 78
Dissidenten verhaftet, darunter 24 unabhängige Journalistinnen
und Journalisten. Polizei und Geheimdienste drangen in Häuser ein
und beschlagnahmten Computer, persönliche Dokumente, Bücher,
Fax-Geräte und Schreibmaschinen. Offiziell wirft man den Festgenommenen
"konspirative Aktivitäten" vor, die im Zusammenhang mit
dem Vorsitzenden der US-amerikanischen Interessensvertretung in Havanna,
James Cason, stehen sollen.
Am 2. April veröffentlichte die kubanische Kommission für
Menschenrechte und Versöhnung (CCDHR) eine Liste mit den offiziellen
Anklagepunkten gegen die 78 Dissidenten. In zwölf Fällen stehen
lebenslange Haftstrafen bevor. Am 3.April wurden die Prozesse eröffnet;
sie sollen bis zum 7.April abgeschlossen sein.
Bereits am ersten Prozesstag standen laut www.cubanet.org zwölf
Journalisten vor Gericht. Bei vier von ihnen, Adolfo Fernández
Sainz, Normando Hernández, Mario Enrique Mayo und Alejandro González
Raga hielten die Staatsanwälte ihre Schlussplädoyers. Die
Urteile sollen am kommenden Montag verkündet werden. Diplomatische
Vertreter und die internationale Presse waren zu den Prozessen nicht
zugelassen. Lediglich die Familienangehörigen konnten der Verhandlung
folgen. Viele Angeklagte stehen ohne Anwalt vor Gericht.
Gegen Rául Rivero, Schriftssteller, prominenter Vertreter unabhängiger
Medien und ROG-Menschen-rechtspreisträger (1997), sowie Ricardo
González,Korrespondent von Reporter ohne Grenzen und Vorsitzender
der Journalistenvereinigung "Sociedad Manuel Márquez Sterling"
in Havanna wird
der Prozess heute eröffnet. In der Anklageschrift wird den beiden
Journalisten vorgeworfen, gegen Paragraf 91 Strafgesetzbuch verstoßen
zu haben. Die beiden hätten konterrevolutionäre Aktivitäten
unterstützt, die die Unabhängigkeit und territoriale Integrität
Kubas gefährdeten. Sie hätten sich am Aufbau der illegalen
Nachrichtenagentur "De Cuba" beteiligt und über dieses
Medium Falsch-informationen verbreitet. Sie hätten sich außerdem
mehrfach mit dem Vorsitzenden der US-ameri-kanischen Interessensvertretung
in Havanna, James Cason, getroffen sowie mit konterrevolutionären
und US-amerikanischen anti-kubanischen Medien zusammengearbeitet. Auch
Kontakte mit internationalen Organisationen, darunter Reporter ohne
Grenzen, werden in dem Dokument erwähnt. Raul Rivéro drohen
20 Jahre Gefängnis; Ricardo Gonzaléz lebenslänglich.
In einem Brief von heute fordert Reporter ohne Grenzen das Auswärtige
Amt und die kubanische Botschaft in Berlin dazu auf, sich für die
unverzügliche Freilassung der seit dem 17. März inhaftierten
Journalistinnen und Journalisten in Kuba einzusetzen.
Reporter ohne Grenzen hat außerdem die Europäische Union
aufgefordert, Kubas Antrag auf Aufnahme in das "Cotonou-Abkommen"
(sichert den AKP-Staaten Wirtschaftshilfe und Handelsvorteile mit der
EU) abzulehnen, bis die Verhafteten sich wieder auf freiem Fuß
befinden.
Kuba zählt derzeit zu den größten Gefängnissen
für Journalisten weltweit. Nach wie vor verbietet die kubanische
Verfassung private Medien.